Der Journalismus und die guten Sachen

Wie (fast) jedes Jahr habe ich auch heuer wieder einen Vortrag zur re:publica beigesteuert. Das Technikteam dieser phantastischen Großveranstaltung war blitzeschnell, und so kann ich – nur zwei Tage später – meinen Talk hier präsentieren:

Die Diskussion um das Verhältnis von Journalismus und Aktivismus, an die ich anknüpfe, wird schon seit längerem immer mal wieder geführt. Unser Dieburger Absolvent Martin Hoffmann, jetzt beim MDR in Magdeburg, hat dazu schon vor drei Jahren klare Worte gesagt, und erst kürzlich ist die Diskussion anlässlich des Videoauftritts von Glenn Greenwald auf dem Congress des Chaos Computer Clubs wieder hochgekocht.

Unbedingt lesenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein Vortrag, den der von mir hoch geschätzte Kollege Matthias Spielkamp im letzten November in Islamabad (out of all places!) gehalten hat: “Journalism after Snowden – How the Internet has changed media”.

(Kleiner Nachtrag: Das Friedrichs-Zitat über Charles Wheeler aus der Autobiographie verdanke ich den Kollegen vom Blog “Journalismus & Recherche”.)

Go Vertical

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Wir haben gestern bei “Groundbreaking Journalism” berauschende Bilder gesehen, aufgenommen von Kamera-bestückten Coptern – Bilder von Sport Events, aber auch zum Beispiel vom Wrack der Costa Concordia. Leider ist oft da, wo man eine echte journalistische Relevanz sehen könnte – Griesheimer NSA-Komplex, BND-Neubau, Straßen- oder andere Schlachten – die Rechtslage problematisch. Trotzdem eine faszinierende Veranstaltung und eine spannende Perspektive für den Journalismus.

Taktik und Strategie

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Meist macht [Mercedes Bunz](http://mercedesbunz.net/about/) auf ihren Deutschlandtrips in [Lüneburg](http://cdc.leuphana.com/) halt, aber gelegentlich kehrt sie auch nach Berlin zurück. Gestern zum Beispiel. Vor einem überwiegend grauhaarigen Publikum hat sie bei der Heinrich-Böll-Stiftung darüber referiert, [wie die digitale Revolution den Kapitalismus herausfordert](http://calendar.boell.de/de/event/copy-paste). (Wo zeigt sich eigentlich der Generationenwechsel im grünen Kulturkreis? Nur mal so dahingefragt.)

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Dinge, die das Herz schneller schlagen lassen

[An dieser Stelle hätte ich gerne den hypnotischen, ungefähr 3-minütigen Ausschnitt aus Chris Markers Video-Essay “Sans Soleil” eingebunden, in dem er die Tänzerinnen und Tänzer beim japanischen Awa Odori-Festival zeigt. Aber aus Rechtegründen lässt mich Youtube den Clip leider nicht hochladen. Immerhin, hier sind ca 20 Sekunden…]

踊る阿呆に
見る阿呆
同じ阿呆なら
踊らな損、損

Odoru ahou ni
Miru ahou
Onaji ahou nara
Odorana son, son

The dancers are fools
The watchers are fools
Both are fools alike so
Why not dance?

Which side are you on?

Während die Geschichtsschreibung im viktorianischen Großbritannien den Stempel der Teleologie der Whigs trug, nach der alle Geschichte der Aufstieg der Zivilgesellschaft als Träger der Freiheit gegenüber dem monarchistischen Staat war, wurde diese These in Preußen auf den Kopf gestellt: hier stieg der Staat auf und entfaltete allmählich seine rationale Ordnung anstelle der willkürlichen, personalisierten Regimes der alten Granden.

Christopher Clark: Preußen

Der wilde Herzog

Verkehrschaos in einer anderen Großstadt (Bild: Wikimedia)
Verkehrschaos in einer anderen Großstadt (Bild: Wikimedia)

Bei dem “wilden Herzog von Orléans”, von dessen rüpelhaftem Verkehrsverhalten im vorrevolutionären Paris im vorigen Beitrag berichtet wird, handelt es sich vermutlich um Louis Philippe II., der den Titel allerdings erst 1785 von seinem Vater Louis Philippe I. de Bourbon geerbt hat. Aber im Gegensatz zum Vater war der Jüngere 1784 im richtigen Lebensalter für wilde Kutschenfahrten, und er war für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannt.

Gleichwohl stand er damals in Opposition zum Hof von Versailles und war wohl in breiten Kreisen sehr beliebt – seine Freunde hätten ihn gern als den nächsten König von Frankreich gesehen. Da kam natürlich die Revolution dazwischen – die er zunächst durchaus begrüßte – , und nach anfänglichem Engagement als adeliger Repräsentant in der Ständeversammlung von 1789 landete er in den ersten Monaten der Terrorherrschaft am 6. November 1793 auf der Guillotine.

Als Sekretär (und Freund) unterstützte ihn übrigens ab 1788 kein Geringerer als der Schriftsteller Pierre Choderlos de Laclos, dessen großartiger Briefroman “Les Liasons Dangereuses” im Jahr 1782 erschienen war. Auch wenn es dem wilden Duc versagt blieb, König von Frankreich zu werden, gelang dies ein paar Jahre später seinem Sohn, der im Jahre 1830 unter dem Namen Louis Philippe I. als letzter König von Frankreich (der “Bürgerkönig”) den Thron bestieg.

À bas les ducs sauvages!

Gröger_-_Friedrich_Johann_Lorenz_Meyer-brighterIch lese gerade mal wieder einen Vorfahren. Genau genommen keinen Vorfahren, sondern einen Urururgrossonkel namens Friedrich Johann Lorenz Meyer, Domherr in Hamburg. Der begleitete im Jahre 1796 seinen Freund Georg Heinrich Sieveking ins nachrevolutionäre Frankreich. Sieveking sollte in Paris als Deputierter der Hansestadt Hamburg mit dem Direktorium der französischen Republik über eine Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen verhandeln. Gemeinsam nutzten die beiden die Reise, um einen Eindruck von der herrschenden Stimmung in der neuerdings bürgerlich beherrschten Metropole zu gewinnen.

Meyer dankt Sieveking im Vorwort seines Reiseberichts für die “mit Aufopferung und freiwilligem Verzicht auf andern uns so vielfach dargebotnen Genuss, verbundnen angestrengten Arbeiten und uneigennützigen Bemühungen für das Wohl unserer freien und glücklichen Vaterstadt”. Das mit dem “Verzicht” bekommt angesichts der mehrfachen Erwähnung “feiler Mädchen aus allen Winkeln des Tempels der Wollust” in den Reiseerinnerungen eine besondere Note.

Schön sind auch die Kundgaben leiser Genugtuung über die Resultate der Revolution (bei aller Abscheu vor den Exzessen jakobinischen Terrors), wie etwa in der folgenden, nicht ganz frei von persönlicher Rancune geschilderten Geschichte:

“Als ich eines Tages, im Winter 1784 [auf einer früheren Parisreise], über den Pont Neuf fuhr, und mein Wagen nach dem Quai de Conty umbog, stürmte der wilde Herzog von Orleans in seinem vierspännigen Phaeton hinter mir nach der Strasse Dauphine mit solcher Gewalt vorbei, dass mein Wagen von dem seinigen an den Rädern gepackt, und mit fürcherlicher Heftigkeit auf das Pflaster hingeschleudert ward, wobei ich zwar mit einer leichten Quetschung davon kam, mein Kutscher und Lohnbedienter aber durch den Umsturz stark beschädigt wurden. Solche, damals häufigen Vorfälle, begegnen einem jetzt nicht mehr; und jene Übermüthigen sind verschwunden, – die gleichgültig zusehen konnten, wenn ein Mensch von ihren Pferden zertreten ward.”

Eine, ebenfalls verkehrstechnische, Anmerkung über die Emanzipation der Frauen möchte ich noch zitieren:

“Das Selbstkutschiren der Damen ist herrschende Mode. In ihren Kabrioletten stürmen die fröhlichen jungen Republikanerinnen – wenn man sie so nennen kann, diese Mädchen der Freude, die sich selbst der Larve des Republikanismus schämen, – in ihrer Morgenkleidung und im Putz, mit grosser Geschicklichkeit im Leiten und Wenden, allein oder zu zwei, durch die Gassen. Sie fahren selbst, wenn ihnen gleich ein Mann zur Seite sitzt, der nun, mit Ergebung in den weiblichen Aristokratismus, zusehen muss, wie seine Gebieterin den entwandten Zügel regiert, und die Peitsche über ihn schwingt.”

Der Reisebericht bietet auch sonst noch viel Interessantes, unter anderem eine genaue Bestandsaufnahme des Zeitungswesens jener Periode. Aber davon erzähle ich ein anderes Mal.

(Reproduktion des Meyer-Porträts von Friedrich Carl Gröger: Wikimedia)

Begegnung mit einem Nachbar

Als ich vorgestern abend unter einer Laterne neben meinem Fahrrad hockte, um einen kleineren Defekt zu beheben, sah ich plötzlich einen ausgewachsenen Fuchs vor mir. Er war die Treppe von der Methfesselstraße zum Viktoriaquartier hochgelaufen und kam direkt auf mich zu – offensichtlich mit dem Wind, denn er bemerkte mich erst, als er ungefähr drei Meter entfernt war.

Mit der Füchsen eigenen Neugier betrachtete er mich einen Moment, bevor er sich ohne übertriebene Hektik wieder zurückzog. Ungefähr eine Minute später sah ich ihn auf der anderen Seite des Fahrwegs an mir vorüberlaufen, den Kopf mir zugewandt, wachsam, aber unbeirrt seinem ursprünglichen Ziel entgegen.

Kleintiere im Viktoriapark, seid auf der Hut!