Ein starker Begriff, der uns fast abhanden gekommen ist, verdient reaktiviert zu werden: die “Niedertracht”. Für die, denen das zu sehr tümelt, gibt es auch zwei lateinische Fremdwörter, die um die Übersetzung rivalisieren: “Infamie” und “Perfidie”. Beide treffen jedoch den schönen naheliegenden Wortsinn des deutschen Begriffs nicht genau: Wer niederträchtig ist, trachtet nach dem Niederen, dem Schlechten, dem Bösen. Er oder sie kennt die Richtung des moralischen Kompass und entscheidet sich bewusst dagegen.
Ich muss zugeben, dass dies erst eine spätere Lesart des Wortes ist. Ursprünglich bedeutete “Niedertracht” wohl einmal so etwas wie Bescheidenheit: sich niedrig tragen. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts bekam das Wort seine heutige Bedeutung einer niedrigen moralischen Gesinnung. Doch zurück zu den lateinischen Synonymen: “Infamie” beschrieb im alten Rom einen Zustand gesellschaftlicher Ächtung, also eine schlechte Reputation, während “Perfidie” die besondere Missetat des Verrats an einer bestehenden Vertrauensbeziehung bezeichnet – sicher auch eine Form der Niedertracht, aber ebenso sicher nicht die einzige.