Herzlichen Glückwunsch, Frau Borchert!

Die internationalen Weblog-Awards der Deutschen Welle sind vergeben, und Preisträgerin der Kategorie “Bestes deutschsprachiges journalistisches Weblog” ist Lyssas Lounge. Jury-Mitglied Jörg Kantel a.k.a. Schockwellenreiter, erklärt einleuchtend, warum auch Katharina Borcherts Alltagsberichte Journalismus sind. Nicht dass es darauf jetzt besonders ankäme. Aber in dieser streitsüchtigen Szene muss man ja allen Eventualitäten vorbeugen.

Schade, dass vor den meisten anderen Preisträgern doch eine erhebliche Sprachbarriere steht.

Ausblick 0.9

Die lustige Diskussion, ob der Begriff “Web 2.0” nun einen Neuauflage des Internet-Hypes der späten Neunziger bedeute, mit der nicht unwichtigen Seitenlinie, ob der Mann von der Blogbar nun nur dick oder aber klein und dick oder gar dick und ein Troll sei, hat mich auf die Idee gebracht, diesen völlig sinnfreien Titel (nein, nicht “kleiner dicker Troll von der Blogbar”, sondern “Web 2.0”) für das obligate Weblog-Seminar im nächsten Sommersemester zu verwenden.

(Und Drum’n’Bass, lieber Marius, ist ja sowas von … von … 1.3! Aber allerhöchstens!)

Pleiten, Pech und Pannen

Das eigentliche Museum eines Online-Lebens ist sowieso eher das Mail-Archiv. Wenn dort Lücken klaffen, schmerzt das. Ich habe zum Beispiel die gesamte dienstliche Korrespondenz meiner 1 1/2 Jahre bei der ZEIT verloren, nach einem der kuriosesten und peinlichsten technischen Malheurs, die mir je passiert sind.

Ich weiß gar nicht mehr genau, was damals eigentlich die Absicht bei meiner Aktion war. Vermutlich wollte ich mir bei der Räumung meines Schreibtischs alle Dienstmails noch schnell an meinen privaten Mail-Account umleiten (was für eine Schnapsidee!). Doch statt dessen hat das Mailprogramm alle Mails, die ich während dieser vielen Monate verschickt hatte, ein zweites Mal an ihre Adressaten verschickt.

Gnadenlos und unaufhaltsam entfaltete sich vor meinen Augen das Drama, quälende Minuten lang. Vielleicht hätte ich einfach den Stecker ziehen können. Aber nein, ich starrte wie gebannt auf den Bildschirm, während alles noch einmal passierte: der komplette Relaunch von zeit.de, mit allen Mails an Verlag, Designer, Technik; die vielen Diskussionen um meinen Intimfeind zu jener Zeit, den damaligen Geschäftsführer der Zeit Online GmbH; schließlich zum krönenden Abschluss die rührselige Rundmail, mit der ich mich nach meiner Kündigung von allen Mitarbeitern der ZEIT verabschiedet hatte.

Mit hochrotem Kopf saß ich vor meinem Computer, wünschte mich irgendwo nach Patagonien – und versäumte darüber den alles entscheidenden Handgriff: das tatsächliche Backup meiner Mails und Dateien, bevor das Dienst-Notebook von der EDV-Abteilung plattgemacht wurde.

Hmmm. Das erinnert mich jetzt an eine ähnliche Katastrophe, die sich ein paar Monate zuvor ereignet hatte, und die ich hier noch einmal dokumentieren möchte, ehe sie endgültig im digitalen Nirvana verloren geht. Es folgt ein Posting aus dem Club Volt Forum vom 9. Februar 2000, für Uneingeweihte ein bisschen schwer verständlich. Aber das ist wahrscheinlich auch gut so:

Continue reading →

Nach der Atempause

Hier geht es jetzt weiter, nach einem Providerwechsel und dem wegen massivem Kommentarspams nötig gewordenen Update der Software.

Ich habe zunächst die Archive von Clubvolt und Scarlatti zusammengeschmissen, es ist ja wenig genug, was sich da in den letzten zwei Jahren angesammelt hat. Und die noch älteren Spuren scheinen durch meine Unachtsamkeit beim Wechsel endgültig abhanden gekommen zu sein.

Zum Beispiel das legendäre Club Volt Forum, in dem ich mich mit einigen guten Freunden so heftig gestritten habe, dass es uns fast unsere Freundschaft gekostet hätte. Oder das kurzlebige Blog “online-journalismus.de”, in dem ich einmal erfolgreich versucht habe, Mathias Müller von Blumencron wegen seiner fortgesetzten Verstöße gegen das Trennungsgebot zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung vorzuführen – wenn man ihm dieses Stöcklein hinhält, springt er berechenbar, und mit bühnenreif gefletschten Zähnen. Modder grün und pissgelb nannte damals ein anderer Blogger mein großartiges Design für online-journalismus.de.

Bin mir jetzt noch unschlüssig, ob ich auch Scarlatti als englischsprachiges Blog wiederbelebe. Momentan scheint es mir, als würde das meinen sowieso geringen Schwung eher bremsen. Aber ich kann Scarlatti ja mal unverbindlich aufsetzen und eher sporadisch bedienen, zum Beispiel mit Texten, die ich für andere Zwecke auf Englisch verfasse.

Talents and Brave Hearts

I just did something I rarely do: I bought some CDs with recent popular music. First, Jamie Cullum, whose TV concert at Blenheim Palace made me recall David Bowie at the first Live Aid introducing “the very talented Mr Thomas Dolby”. Cullum is the epitome of talent, with all its pitfalls.

Second, Franz Ferdinand, the Glaswegians I always considered to be overrated (when I did not, out of some unexplainable slip of the brain, confuse them with Belle & Sebastian). Again, a televised concert (yesterday, MTV, Edinburgh) made me think otherwise. It’s all a matter of nostalghia, of course. Their shameless mod behaviour (Decent short hair cuts! The drummer wore a tie! They raised their guitars to a dome!) made me remember the early Who, and then there were moments when singer Alex Kapranos remotely reminded me of Jim Morrison. And this, ladies and gentlemen, is definitely something to give an old man like me goose pimples all over. Aren’t we all desperately waiting for somehting like the return of the Lizard King (and all we normally get is a bunch of cloned Krawall-Würstchen)!

Victory!

Finally, after some years of search, I was able to locate and order a copy of Murray Sayle’s 1960 novel “A Crooked Sixpence” which has been repeatedly praised as ‘the best novel on journalism ever’.

Googling Sayle, by the way, produces a plethora of interesting results. He’s an Australian journalist who, after some time at Fleet Street, worked as foreign and war correspondent and lived for many years in Japan. Contributed a lot to London Review of Books and other quality publications.

His 1972 Sunday Times report on a bloody incident in Northern Ireland’s Derry, where British paratroopers killed 13 unarmed civilians, was censored after the lord chief justice’s intervention with the paper’s editor, and only turned up years later to play a decisive role in a 2002 inquiry on the event.

In a very renowned piece for New Yorker in the year 1995 Sayles successfully challenged the established view that the mass-slaughter of Hiroshima and Nagasaki ended WW II.

Now the veteran correspondent has returned to Australia.

Oh, and his novel is so difficult to obtain because of a libel suit issued by the paper he is portraying and probably – I will see – satirizing in it, News of the World. As novelist Amanda Craig put it, “Journalists claim to support free speech, and some do: but they are also among the first to suppress it if their own behaviour comes under fire.”

Demokratie, alles in allem

Insgesamt scheint es an diesem Wahlabend eine Menge Gewinner gegeben zu haben – fast jeder hat irgendwie das ihm zugewiesene Plätzchen als angemessen akzeptiert, mit Ausnahme der Unionsparteien. Ich versuch mal eine spontane Bewertung des vorläufigen Ergebnisses:

Positiv: Die Union ist nicht zu groß geworden. Sie hat damit ihre Quittung bekommen, nicht nur für eine uninspirierte, konzeptlose Kampagne mit vielen, krassen Fehlern: Erhöhung der Mehrwertsteuer (darüber redet man nicht!), Kirchhof (wenn schon, dann richtig!) – sondern auch für den schalen Nachgeschmack, den die 16 Jahre Kohl, zahllose Affären, unwürdige parteiinterne Intrigen etc hinterlassen haben. Dieser Nachgeschmack hat anscheinend bei längerem Nachdenken dann doch vielen potentiell konservativen (oder sollte ich sagen: reformwilligen?) Wählern das Kreuz ausrutschen lassen.

Negativ: Die Grabenkämpfer der Partei, die Stoibers, Kochs, Merzen und Co werden die Schuld für dieses Debakel mittelfristig komplett auf Angela Merkels Schultern abladen – die zwar ihren Anteil daran hatte, aber doch nicht mehr als alle anderen auch. Damit ist vermutlich eine weitere Chance für eine Erneuerung dieser Partei vertan.

Positiv: Der Aufholerfolg bei der SPD geht überwiegend auf das Konto von Gerhard Schröder und bestätigt und stützt damit den reform-orientierten (lies: rechten?) Flügel der Partei. Das Resultat bestätigt damit auch den unglaublichen politischen Instinkt Schröders, der es wahrscheinlich letztlich darauf abgesehen hatte, eine große Koalition oder doch zumindest eine tragfähigere Konstellation für seine Regierung herbeizuführen.

Negativ: Mittelfristig oder langfristig wird der ideologische Magnetismus, der von der Gysi-Lafontaine-Partei ausgeht, zu einer Erosion der verbliebenen Sozialdemokratie führen. Das wird die Partei weiter schwächen, ihr aber vielleicht auch die Chance geben, sich in der Abgrenzung weiter in Richtung New Labor zu profilieren.

Positiv: Die Liberalen haben Erfolg damit gehabt, Profil statt bloße Werbekampagnen vorzuführen. Man kann nur hoffen, dass sie dieses Profil in der Opposition ohne opportunistische Bindung an eine der großen Parteien weiter entfalten können und damit zur politischen Debattenkultur beitragen.

Positiv: Wir haben jetzt eine echte parlamentarische Linke! So wenig ich den Mief sozialistischer Weltbilder leiden kann – in der Opposition bilden sie ein gutes, sinnvolles Korrektiv zu allzu funktionalistischen, technokratischen Politik-Konzepten. Außerdem ist eine Ausdifferenzierung des politischen Spektrums ganz in Ordnung. Und Gysi und Lafontaine sind nicht die unsympathischsten Vertreter ihrer Sache – trotz der geradezu maßlosen Kampagne, die in den letzten Wochen vor allem gegen Lafontaine gefahren worden ist.

Positiv auch: Die Grünen bleiben uns erhalten. Sollten sie aus der Regierung verschwinden, finden sie vielleicht sogar zu einer dringend notwendigen Erneuerung ihres Programms, statt sich weiterhin hinter der staatstragenden Gallionsfigur Fischer zu verstecken.

Positiv, insgesamt: Das Wahlergebnis überträgt die Verantwortung zwei eher angeschlagenen Volksparteien, die somit nicht einfach selbstgefällig mit bestehenden Rezepten drauflos regieren können. Beide stehen unter einem gewissen Druck, sich neu zu definieren. Das Ergebnis platziert drei sehr unterschiedliche, aber allesamt starke Player in die Opposition, als ein starkes, unorthodoxes Korrektiv. No need for an APO. Die politische Kultur in Deutschland wird daran keinen Schaden nehmen.