CNet lernt von den Bloggern

Ende der 90er Jahre war der US-Fernsehsender CNet mit seinem Internet-Angebot für uns Frischlinge im deutschen Online Publishing eine verlässliche Inspirationsquelle. Druckversion, “Artikel versenden”-Funktion, eine großzügige Verlinkung der Geschichten mit externen Websites und Material aus dem eigenen Archiv, all das hat uns CNet damals vorgemacht. Kein Wunder, dass das für CNet entwickelte Content Management System “Vignette Story Server” uns damals de rigueur erschien.

Nun haben die Kalifornier wieder mal die Nase vorn: als erstes größeres News-Angebot integrieren sie die aus der Weblog-Szene bekannten Funktionen TrackBack und Pingback in ihre Storys, mit denen man systematisch Verlinkungen auf eigene Artikel sichtbar machen kann.

[Via Hypergene]

Underground

Gero der Markgraf verlinkt ein Stückchen norddeutscher Rockgeschichte, einen grandiosen Auftritt von Captain Beefheart im Beat Club aus dem Jahre 1972. Das erinnert mich daran, was dort, im Archiv von Radio Bremen, noch für Schätze lagern: Extra für Gero, zum Beispiel, der Auftritt der Mothers of Invention vom Oktober 1968, bei dem die Band sich überwiegend an einem üppigen, im Studio aufgebauten Buffet vergnügte und nur ab und zu auf ihren Instrumenten klimperte. “Happening” nannte man sowas damals.

Eine andere Art von Happening veranstaltete 1970 die Tony Williams Lifetime, eine der ersten Jazzrockbands überhaupt, zu der neben dem noch nicht 20jährigen Drummertalent Williams auch Jack Bruce und John McLaughlin gehörten. Die benahmen sich im Studio so schlecht, dass eine genervte Uschi Nerke vor dem Hintergrund ein paar zersplitterter Soundfragmente dem Publikum mitteilen musste, dass ein Auftritt dieser Band leider nicht zustandegekommen sei. (“10/ /70 – ‘Beat Club’ Bremen, Germany (TV broadcast – cancelled)”, heißt es dazu lapidar in der Tourliste auf Jack Bruce’ Website)

Zu jener Zeit gab es einen Plattenserie der HÖR ZU (ja, das ist die Fernseh- und Radiozeitschrift, die heute fast nur noch Senioren lesen), mit dem Titel “Black Label”. Dort erschien ein wildes Sammelsurium dessen, was man im Hause Axel Springer für musikalische Avantgarde hielt: Die Steve Miller Band, Vanilla Fudge, aber auch Kompositionen von György Ligeti und Iannis Xenakis, sowie – wenn ich mich recht entsinne – das wunderbare zweite Album von Soft Machine, das mich damals ins Herz getroffen hat und für den Rest meines Lebens imprägniert gegen jeden Konfektionspop.

Über Kazaa bin ich kürzlich auf einen weiteren legendären Beat Club-Auftritt gestoßen: Die hier schon erwähnten King Crimson, in der Besetzung von 1972 mit dem Freejazz-Schlagzeuger Jamie Muir, der in Fellweste und mit Trillerpfeife die musikalischen Strukturen der Band durcheinanderbrachte.

Google, Casanova, Austern, Instant Messages

(17:25:56) lorenz: “Calling on the Venetian ambassador’s steward I saw some peculiarly fine oysters, and I got him to let me have a hundred. I then took a box at the Capronica Theatre, and ordered a good supper at the inn where we had supped before.”

(17:26:32) lorenz: “We began by sitting down in front of a roaring fire, and for half an hour we did nothing but eat oysters, which were opened in our presence by a clever waiter, who took care not to lose a drop of the fluid. As quick as he opened we ate, and the laughter of the girls, who talked of how we had eaten them before, caused my anger to gradually disappear.”

(17:27:01) lorenz: “The oysters and champagne had their natural effect, and we had a delightful supper. We had sturgeon and some delicious truffles, which I enjoyed not so much for my own sake as for the pleasure with which my companions devoured them. A man in love is provided with a kind of instinct which tells him that the surest way to success is to provide the beloved object with pleasures that are new to her.”

(17:27:40) lorenz: “Then came the oyster-game, and I scolded Armelline for having swallowed the liquid as I was taking the oyster from her lips. I agreed that it was very hard to avoid doing so, but I offered to show them how it could be done by placing the tongue in the way. This gave me an opportunity of teaching them the game of tongues, which I shall not explain because it is well known to all true lovers. Armelline played her part with such evident relish that I could see she enjoyed it as well as I, though she agreed it was a very innocent amusement.”

(17:28:07) lorenz: “It so chanced that a fine oyster slipped from its shell as I was placing it between Emilie’s lips. It fell on to her breast, and she would have recovered it with her fingers; but I claimed the right of regaining it myself, and she had to unlace her bodice to let me do so. I got hold of the oyster with my lips, but did so in such a manner as to prevent her suspecting that I had taken any extraordinary pleasure in the act. Armelline looked on without laughing; she was evidently surprised at the little interest I had taken in what was before my eye. Emilie laughed and relaced her bodice.”

Everything you always wanted to know…

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… about working for the World’s Best News Magazine. Nein, nicht ganz, um ehrlich zu sein. Aber immerhin: Diese Dame hat in dem Jahr beim “Economist” zu arbeiten angefangen, als ich zur Welt kam. Ihr Rückblick in der diesjährigen Weihnachtsausgabe ist lesenswert.Sie bestätigt meine Vermutung über eine redaktionsinterne Krise wegen der pro-US/pro-Irakkrieg-Linie der gegenwärtig Verantwortlichen (“the paper was painfully split”), die zweite nennenswerte nach dem Streit um den Vietnamkrieg, den das Magazin ebenfalls unterstützte: “Neither occasion, I would submit, was our finest hour.”Ein weiterer, zumindest für diesen Leser schmerzlicher Einschnitt war der letzte ‘Relaunch’ der einst hervorragenden “Arts and Books”-Sektion, die jetzt nur noch Gähnen hervorruft und meist eilig überblättert wird. Aber dazu hat eine Redakteurin aus dem Auslandsressort natürlich wenig zu sagen.

Geschichtsbewußtsein

Vor vielen Jahren traf ich in Berlin beim Kampfsport einen jungen Norweger, eine eindrucksvolle, freundliche und gleichzeitig in ihrer Energie irgendwie bedrohliche, eben sehr kämpferische Erscheinung – einen Wikinger. Dieser Mann erzählte voller Stolz, dass er aus einer Gegend in Norwegen stamme, die sich über die Jahrhunderte erfolgreich der Christianisierung widersetzt habe.

Ohne jede New-Age-Sentimentalität oder tümelnde Neigung zu neoheidnischem Aberglauben, sprach aus seinen Worten einfach der Stolz, sich diesem ganzen Nonsense nie unterworfen zu haben.

Jetzt, wo ich mich gerade mit der Geschichte Palästinas und der Entstehung der monotheistischen Religionen beschäftige, flutet mich Sympathie und Respekt für seine Haltung an, und so etwas wie Neid. Der individuelle Agnostizismus oder Atheismus ist sicher eine beachtenswerte charakterliche und mentale Leistung. Wie anders muss sich das aber erst anfühlen, wenn man sich dabei auf eine viele Generationen währende Tradition und Kultur des Widerstands und der gedanklichen Unabhängigkeit stützen kann.

Scarlatti?

Scarlatti ist schön. Domenico natürlich. Leichte, beschwingte, elegante, kurze Stückchen. Keine Satzfolge, keine Durchführung. Nur prägnante Intelligenz und Virtuosität, mit einem Hauch Melancholie. (Ein hoch gestecktes Ziel, zugegeben.)