In seinem 2006er Bericht an den Europarat „Public Service Media in the Information Society“ (pdf) vertritt der Däne Christian S. Nissen die These, dass Reichweite das wichtigste quantitative Erfolgskriterium für Public Service Media sei: „Reach is the most important quantitative success criterion for public broadcasters.“ (S. 24). Trotz der Beschränkung auf quantitative Bewertungskriterien halte ich diese These für eine irreführende und gefährliche Überbewertung (in der Zwischenüberschrift nennt Nissen Reichweite „A sine qua non for public service“).
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Meine Sendungen
Eine der Tücken linearer Vollprogramme ist, dass man immer die falschen Sendungen dargeboten bekommt. Die Wahrscheinlichkeit, zu einem bestimmten Zeitpunkt einzuschalten und auf genau das Programm zu stoßen, das man gerade braucht, ist praktisch gleich null. Dies Problem hat sich durch die Vervielfältigung der Programmlandschaft mit Dutzenden von kommerziellen Sendern und Spartenkanälen nur verschärft, zumal manche Sender sich die Unsitte der Parallelprogrammierung angewöhnt haben: Talkshow gegen Talkshow, Reality Soap gegen Reality Soap. Continue reading →
Professor Becketts Vision für die BBC
“I would like to see, not just in journalism but across the BBC, that it shifts from being this kind of monolithic institution, separate, if you like, from the rest of the media ecology, and becomes much more of a commissioning and an enabling and a collaborating body that works not just with other media companies but with other british or international institutions, perhaps even universities more extensively, to create content, to provide services, in a way that it facilitates rather than necessarily owns.”
Charlie Beckett, Hot Seat, LSE Government Blog, July 28th, 2015 (Quote starting at 11:18)
Das entspricht ziemlich genau meiner Vorstellung, wie es mit den öffentlich-rechtlichen Medien auch in Deutschland weitergehen sollte. Die Public Service Media sollten sich nicht nur als Produzenten, sondern auch als Vermittler und Förderer medialer Vielfalt und Qualität verstehen. Sie können hochwertige Inhalte anderer Anbieter kuratieren, Nachwuchstalente und neue Projekte fördern, und weiterhin Fehlendes im Medienportfolio ergänzen. Wichtig ist dabei, dass sie nicht nur selbst produzieren, und dass sie endlich damit aufhören, ihre Außengrenzen möglichst hermetisch geschlossen zu halten.
Methoden und Werkzeuge
Methodisch orientiert sich mein geplantes Projekt sowohl an journalistischen Techniken der Recherche als auch an durchgängig wissenschaftlichen Standards, wobei die qualitative, eher medienjournalistische Arbeit im Vordergrund steht. Neben persönlichen Vorlieben hängt dies auch mit der Aktualität und Flüchtigkeit des Gegenstands zusammen. Eine rein wissenschaftliches Vorgehen würde hier eine langsamere Gangart bedeuten, die sicherlich ihre Berechtigung hat, aber meiner Ansicht nach angesichts der Dringlichkeit anstehender medienpolitischer Fragen und Entscheidungen zurückgestellt werden muss. So werde ich mich weitgehend auf explorative qualitative Methoden stützen, wie die Auswertung und Analyse wissenschaftlicher sowie journalistischer und anderer nichtwissenschaftlicher Quellen sowie Experteninterviews, um so zugleich einen Überblick zu geben und eine thematische Neuorientierung im Gegenstandsbereich zu ermöglichen und ggf. auch tiefer und weiter gehende wissenschaftliche Fragestellungen vorzubereiten.
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Projekt “Public Service Media”: Leitfragen
In dem Projekt, mit dem ich mich in den nächsten Jahren beschäftigen will, geht es um Legitimation und mögliche Zukunft öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland. Dieses Thema lässt sich natürlich nicht isoliert betrachten von der Entwicklung vergleichbarer Medien in anderen, europäischen oder außereuropäischen Ländern. So steht gerade in Großbritannien die Zukunft der BBC zur Diskussion, einer Anstalt, die nicht nur als historisches Vorbild ein geradezu definitorisches Leitmedium für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland ist. Auch in den benachbarten Alpenrepubliken Schweiz und Österreich wird um Ob und Wie einer Weiterführung öffentlich-rechtlicher Medien gerungen, und manche Lehren lassen sich aus einer Betrachtung dieser Auseinandersetzungen ziehen.
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Publikumsverachtung
Als am 19. Juni 2015 der Rundfunkrat des WDR tagte und unter anderem über die geplante Programmreform des Senders diskutierte, gab es Unruhe im Publikum. Ein handgemaltes Plakat wurde hochgehalten, auf dem freie Mitarbeiter des offensichtlich bedrohten Reportageformats “hier+heute” den Erhalt der Sendung forderten.
Man kann ihnen nur “Viel Glück!” wünschen. Bislang sind solche öffentlichen Initiativen, egal ob von Mitarbeitern oder aus dem Publikum, bei den Intendanzen und Kontrollgremien meist auf taube Ohren gestoßen.Continue reading →
“You know who else…?”
Die “Reductio ad Hitlerum” hat ihr eigenes Lemma in der Wikipedia. Bei Ask Metafilter wurde darüber gerätselt, wer das Mem “You know who else…?”, mit dem in manchen Diskussionen eher spielerisch-ironisch Godwins Gesetz befolgt wird, in die Welt gesetzt hat, und ob das überhaupt rekonstruierbar sei.
Anscheinend vollen Ernstes verwendet das rhetorische Manöver Christian Breunig, seines Zeichens Chefredakteur der renommierten “Media Perspektiven”, in einer Verteidigung des Prinzips Werbung im öffentlich-rechtlichen Radio. Werbung habe, so heißt es dort in einem kleinen historischen Rückblick, von Anfang an zum deutschen Radio dazu gehört, und auch Kritiker habe es von Anfang an gegeben. Insbesondere (aufgemerkt!) unter den Nazis sei Werbung im Radio verboten gewesen.
Neben diesem historischen (Schein-)Argument gegen ein öffentlich-rechtliches Werbeverbot werden auch noch zwei jüngere Studien (I / II) im Auftrag des Markenverbandes ins Feld geführt, denen zufolge ein Werbeverbot für die ARD-Radiosender katastrophale Folgen für die Akzeptanz des Werbeträgers Radio insgesamt haben, und – oh Schreck! – zu einem Abwandern der Werbung auf andere Plattformen, wie zum Beispiel das Internet (Google! Facebook!!), führen könnte. (Ähnliches hat der Markenverband sich auch für die Fernsehwerbung ‘bestätigen’ lassen.)
Christian Breunig, by the way, gehört mit seinen Media Perspektiven zur “Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften”.
Love Is How You Make It
Daevid Allen 13.1.1938 – 13.3.2015. We are sad. We are happy.
(Bonus)
Visit Of A Dear Ghost

A little more than six years ago, my beloved elder sister Gabriele fell victim to a vicious heart attack. Today my younger sister, when on a virtual stroll with her little son along old Berlin neighbourhoods, has found the above picture on Google Street View. It was taken half a year before Gabriele’s death, in July 2008, and shows her just around the corner from her apartment, possibly on her birthday. It seems she’s been with us all these years…
Rivvapolittaucher Reloaded
Manche Ideen sind einfach nicht unterzukriegen. So geht es mir mit dem ‘Rivvapolittaucher’ – meiner Vision eines dynamischen Aggregations- und Kurationsportals für politische Inhalte. Ich hatte die Idee ursprünglich vor fast fünf Jahren auf der re:publica 10 vorgestellt. Der Vortrag damals war nicht besonders geglückt, mein Vorgänger auf der Bühne (Sascha Pallenberg…) hatte überzogen, ich hatte zu wenig Zeit und musste schließlich mittendrin abbrechen.
Ich war unzufrieden, das Thema geriet ein bisschen unter die Räder und in Vergessenheit, aber irgendwie zappelte die Idee weiter in meiner Schublade, und so habe ich sie in den letzten Monaten von Zeit zu Zeit wieder hervorgeholt und an unterschiedlichem Publikum noch ein paarmal ausprobiert – mit durchaus positiven Resultaten.
Eine dieser Gelegenheiten war ein Besuch bei den geschätzten KollegInnen vom Center for Digital Cultures an der Leuphana Universität Lüneburg im letzten März. Von diesem Gastspiel ist ein Video gemacht worden, das das CDC jetzt auf Vimeo veröffentlicht hat.
Ab Februar habe ich ein Forschungssemester. In diesem Rahmen werde ich mich in den folgenden sechs, sieben Monaten mit möglichen Strategien für den öffentlich-rechtliche Rundfunk im Medienwandel beschäftigen. Wenn der Rivvapolittaucher weiter herumzappelt, sollte er in diesen Überlegungen eine Rolle spielen.