Transparenz, Augenhöhe oder Respekt?

Was ist stirngerunzelt und nachgedacht worden angesichts des gefühlten Vertrauensverlusts gegenüber den journalistischen Medien! Dabei zeigen empirische Untersuchungen, dass die wütende Ablehnung sich auf bestimmte, relativ klar umgrenzbare Milieus beschränkt. Die Mehrheit der Deutschen vertraut ihren journalistischen Qualitätsmarken weiterhin in großem Maße.

Aber der ‘Volkszorn’ auf uns Journalist*innen ist laut, vulgär, störend und er vergiftet das Arbeits- und Gesprächsklima selbst dort, wo er nur im Hintergrund rumort. Und das, wo uns gerade nahegelegt wird, statt der traditionellen Druckbelehrung interaktivere Formen des Umgangs mit unserem Publikum zu suchen.

Transparenz

Ein Rezept, das schnell zur Hand war, lautet: mehr Transparenz. “Wir müssen unseren Lesern besser erklären, was wir tun!” heißt es dann. Oder: “Tue Gutes und rede darüber!” Schön und gut, aber warum ein Milieu, das grundsätzlich unsere Wahrhaftigkeit und die Redlichkeit unserer Kommunikationsabsicht in Frage stellt, jetzt dem Werkstattbericht zur Entstehung eines journalistischen Beitrags mehr Glauben schenken soll als dem Beitrag selbst, bleibt eine offene Frage. Medienjournalismus – und zu diesem Genre gehören auch Transparenzberichte und -blogs – stößt zudem eher in der eigenen Branche auf Interesse als beim allgemeinen Publikum. 

Auch hier gilt natürlich – wie schon beim Fact Checking -, dass mehr Transparenz über die inneren Mechanismen des Mediengeschäfts grundsätzlich eine gute Sache ist. Nur muss man sich darüber im Klaren sein, dass derartige Maßnahmen für sich genommen den Karren nicht aus dem Dreck ziehen werden. Sie dienen eher der Selbstvergewisserung der Profis, oder stellen ein Zusatzangebot zur  Qualitätssicherung und Medienbildung dar, das zunächst vor allem von denen wahrgenommen werden wird, die bereits mit einem gewissen Wohlwollen auf die Medien schauen. Auf den harten Konfliktschauplätzen wird dieses Angebot höchstens mit Misstrauen oder gar Hohn zur Kenntnis genommen werden.

Augenhöhe

Gefährlicher ist die Vorstellung, wir seien gehalten, künftig einen “Journalismus auf Augenhöhe” anzubieten. Sicher ist richtig, dass viele Journalist*innen auf einem sehr hohen Ross sitzen, dass sie sich für das Zentrum der Welt halten und ihren Einfluss mit der Macht derer verwechseln, über die sie berichten sollen. Wenn “Journalismus auf Augenhöhe” also als ein Plädoyer für mehr professionelle Bescheidenheit verstanden wird, bin ich vollkommen damit einverstanden. 

Gemeint ist aber vielfach etwas anderes: Medientheoretiker haben zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass das Internet und seine digitalen Tools dazu geführt haben, dass der privilegierte Zugang der Medienprofis zum öffentlichen Raum ein Ende gefunden hat. Nunmehr haben Amateure ebenso wie Profis die Möglichkeit, die medialen Bühnen zu betreten, mit ähnlichen und sogar höheren Reichweiten, wie das gerade vieldiskutierte Video des Youtubers Rezo zur Europawahl beweist. 

Man muss sich klar machen, dass die Unterscheidung von journalistischen Profis vs. Amateuren quersteht zur Unterscheidung von gutem vs. schlechtem Journalismus: Es gibt hervorragende journalistische Amateure ebenso wie es bemerkenswert schlampig arbeitende Profis gibt. Wenn nun der Slogan “Journalismus auf Augenhöhe” implizieren soll, dass wir uns alle publizistisch gleichwertig auf einem mehr oder weniger gleichberechtigten Marktplatz der Informationen und Meinungen bewegen, so besteht das Risiko einer massiven Aufweichung journalistischer Qualitätsstandards und damit die Gefahr einer Demontage des eigentlichen journalistischen Mehrwerts.

Im Gegenteil, im allgemeinen Gelärm des digitalen Marktplatzes, zu dem das Internet geworden ist, sollten wir die Alleinstellungsmerkmale journalistischer Qualitätsarbeit besonders herausstellen. Das Gespräch auf Augenhöhe will ich dabei natürlich nicht ausschließen, aber es kann nur ein Startpunkt journalistischer Wertschöpfung sein. Journalismus hat die Aufgabe, zu zeigen, was nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Er ist nicht wohlfeil, sondern ist mit größerem Erkenntnisaufwand verbunden und hat eine größere Fallhöhe als die Alltagsmeinung beliebiger Bürger*innen. Das hat sich durch das Internet nicht geändert, es ist eher noch wichtiger geworden.

Respekt

Die Erfolgsformel, die ich in den folgenden Beiträgen entwickeln und zu einer künftigen besseren Orientierung des Journalismus anbieten möchte, basiert auf einem zentralen Begriff: Respekt. Respekt funktioniert auf inhaltlicher Ebene ebenso wie auf der Beziehungsebene. Ich kann Respekt vor der Wahrheit, den Fakten, vor den Mühen der Recherche haben, ebenso wie ich mein Publikum, meine Gegner und andere Akteur*innen respektieren kann. Respekt schließt den klaren Dissens nicht aus, im Gegenteil, er ist Voraussetzung dafür, diesen Dissens besser zu lokalisieren und fruchtbar auszutragen. Wie sich der Begriff des Respekts im journalistischen Handwerk fruchtbar machen lässt, darüber mehr in den nächsten Tagen.

1 Comment

  1. English version (thx to DeepL):

    MIND WORKS/RES PUBLICA

    Transparency, same eye level or respect?

    Published 23 May 2019 by Lorenz Lorenz-Meyer

    How much frowning and deep thinking have we seen about the perceived loss of trust in journalistic media! Even though empirical studies have shown that the angry rejection is limited to certain, quite clearly delineated milieus. The majority of Germans continue to trust their journalistic quality brands to a large extent.

    But the ‘people’s anger’ towards us journalists is loud, vulgar, disruptive and poisons the working climate and conversations even where it only rumbles in the background. And it happens precisely at a time when we’re being urged to look for more interactive forms of communication with our audience instead of the traditional one-way top-down approach.

    Transparency

    A recipe that was quickly at hand was: more transparency. “We must better explain to our readers what we are doing”. Or: “Do good and talk about it”. All fine and well, but why a milieu that fundamentally questions our truthfulness and the honesty of our intentions should now give more faith to the making-of report on the creation of a journalistic contribution than to the contribution itself remains an open question. Media journalism – and transparency reports and blogs belong to this genre – is also likely to meet with more interest within our own industry than among the general public.

    Of course, as with fact checking, more transparency about the internal mechanisms of the media business is a good thing. One must be aware however that such measures will not in themselves pull the cart out of the mud. They serve rather the self-assurance of the professionals, or represent an auxiliary offer for quality control and media education, which will be acknowledged mostly by those who already look at media with a certain benevolence. Where the harsh conflicts happen, this offer will at best be faced with suspicion or even mockery.

    Same Eye Level

    More dangerous is the idea that we are obliged to offer “journalism at same eye level”. It is certainly true that many journalists are sitting on a very high horse, that they consider themselves to be the centre of the world and confuse their influence with the power of those they are supposed to report on. So if “journalism at same eye level” is seen as a plea for more professional modesty, I completely agree.

    But what is meant is often something different: media theorists have rightly pointed out that the Internet and its digital tools have ended the privileged access of media professionals to public space. Now amateurs, like professionals, have the opportunity to enter the media stages with similar and even greater reach, as the currently much-discussed video by the young Youtube star Rezo on the European elections proves.

    One has to realize that the distinction between journalistic professionals vs. amateurs is orthogonal to the distinction between good vs. bad journalism: there are excellent journalistic amateurs as well as remarkably sloppy professionals. If the slogan “journalism at same eye level” is to imply that we are all equal in journalistic terms in a more or less open marketplace of information and opinions, then there is a risk of a massive weakening of journalistic quality standards and thus the danger of a dismantling of the actual journalistic benefit.

    On the contrary, in the general noise of the digital marketplace that the Internet has become, we should emphasize the unique selling points of journalistic quality work. Of course, we should not rule out talking at same eye level, but it can only be a starting point for journalistic value creation. Journalism has the task of showing what is not visible at first glance. It is not a cheap exercise, but is associated with more research effort and thus has to have a greater significance and impact than the everyday opinion of normal citizens. The Internet has not changed this, it has become even more important.

    Respect

    The formula for success that I would like to develop in the following articles and offer for a better future orientation of journalism is based on a central concept: respect. Respect works on the content level as well as on the relationship level. I can have respect for the truth, the facts, the effort of research, just as I can respect my audience, my opponents and other actors. Respect does not rule out dissent; on the contrary, it is a prerequisite for better localizing this dissent and productively resolving it. How the concept of respect can be made fruitful in the journalistic craft, more about that in the next few days.

    Translated with http://www.DeepL.com/Translator

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