Die BBC kämpft mal wieder um ihr Überleben. Das Spektakel, in dem hauptsächlich wirtschaftliberale Akteure mit ihren politischen Freunden (vor allem bei den Tories) versuchen, die wohl erfolgreichste Marke Großbritanniens vor allem durch massive finanzielle Einschnitte zu schwächen, ist der besonderen Verfasstheit des britischen Rundfunksystems geschuldet: Alle 10 Jahre steht die Royal Charter, die die BBC gesetzlich legitimiert und über ihre finanzielle Ausstattung entscheidet, erneut zur Diskussion. Das ist Segen und Fluch zugleich: Zum einen sorgt es dafür, dass sich – anders als in Deutschland – bei der BBC nie diese selbstgefällige Saturiertheit verfassungsmäßig garantierter Institutionen einstellt. Zum anderen unterliegt damit die BBC immer wieder dem auch politisch motivierten Zugriff externer Akteure, ohne viel mehr dagegen mobilisieren zu können als die Sympathie ihres Publikums.
Die Vorgänge um die BBC sind auch für uns in Deutschland lehrreich. Die Stimmungslagen, die inhaltlichen und strukturellen Vorwürfe, das Wutgeheul und der Sarkasmus der konkurrierenden privaten Medienanbieter, der Frust der Gebührenzahler – all das deckt sich weitgehend mit unseren eigenen Erfahrungen. Aber hierzulande können sich die Freunde des öffentlich-rechtlichen Systems darauf verlassen, dass im Zweifels- und Streitfall das Bundesverfassungsgericht das Wort ergreift, auf Artikel 5 des Grundgesetzes verweist und aus diesem weitgehende Freiheiten und Garantien für die öffentlich-rechtlichen Anbieter ableitet. Somit liegen Fluch und Segen in Deutschland komplementär zur Situation in Großbritannien: Niemand muss sich hier regelmäßig rechtfertigen und die Unterstützung des Publikums suchen. Daher aber ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland fett und träge geworden.
Es lohnt sich auch deshalb, die Diskussion um das Charter Renewal zu verfolgen, weil dort hochaktuelle, wichtige Fragen zum Medienwandel verhandelt werden. Die BBC war oft – auch dank ihrer immer wieder bedrohten Situation – in vielen Punkten an der Spitze, sowohl in der Entwicklung interessanter, zukunftsweisender Formate als auch im Umgang mit Partizipationsmodellen und anderen strukturellen Erfordernissen.
Interessant (und einigermaßen frustrierend) ist in diesem Zusammenhang die Differenz der aktuellen Debatte zu den Diskussionen beim letzten Charter Renewal zwischen 2004 und 2007. In beiden Fällen gab es zuvor Skandale, die den Gegnern der BBC emotionale Schützenhilfe lieferten: damals ging es vor allem um den Suizid des Whistleblowers David Kelly, heute um die offensichtlich jahrelange Vertuschung der Missbrauchsaffäre des populären Moderators Jimmy Savile.
Vor zehn Jahren gelang dem BBC-Management der Ausbruch aus der Defensive, indem es mit dem Begriff des ‚Public Value‘ die Legitimationsfrage für öffentlich-rechtliche Medien auf eine komplett neue Grundlage stellte und vielversprechende, neue Perspektiven eröffnende Antworten geben konnte. Davon, und von der breiten, auch international geführten Diskussion, die dadurch angestoßen wurde, ist heute nichts mehr zu spüren. In dem Diskussionspapier, das der gegenwärtige Director General der BBC, Tony Hall, vor einigen Tagen vorgelegt hat, spielt der Begriff eines öffentlichen Mehrwerts keine Rolle mehr. Das Papier ist wenig mehr als eine hohle, werblich formulierte Selbstbeweihräucherung und ein Aufguss alter Ideen. Es bleibt somit meilenweit hinter den zuvor gesetzten Standards zurück, so dass Verteidiger der BBC mittlerweile öffentlich dazu aufrufen, die BBC vor sich selbst (und ihrem Management) zu schützen.
Projektfragen: Welches waren die wesentlichen Diskussionspunkte und worin unterscheiden sich die Charter-Review-Prozesse 2006/7 und 2016/17? Welche Programmpunkte des letzten Charter Renewal-Programms konnten erfolgreich umgesetzt werden, und woran sind die anderen gescheitert? Welche Lehren lassen sich aus diesen Prozessen für eine Reform der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland ziehen?