Heute hatten wir im Seminar Rudolf Schmenger zu Besuch. Es ging um Whistleblowing.
Schmenger, einst Amtsrat und Steuerfahnder am Finanzamt Frankfurt V-Höchst, war Anfang 2007 von seinen Dienstherren unfreiwillig in den Vorruhestand versetzt worden. Er hatte sich ab 2001 gemeinsam mit Kollegen gegen Anordnungen zur Wehr gesetzt, nur noch extrem großteiligen Geldtransfer ins Ausland zu verfolgen und damit ein Großteil der Steuersünder aus der Frankfurter Finanzwelt von der Angel zu lassen. Ein gutes Dutzend seiner Kollegen verlieren in dem Konflikt ebenfalls ihren Job, die meisten anderen, die die ursprüngliche Protestnote unterstützt hatten, knicken auf Druck der Dienststelle ein.
Schmenger wird zwangsversetzt, verleumdet, gemobbt. Er gewinnt zwar einen Prozess, doch der Druck ist zu groß. Denn auch Finanzminister Weimar und die CDU-Landtagsfraktion unterstützen die Kampagne gegen den Rebellen. Als Steuerfahnder wollen sie ihn nie wieder arbeiten sehen.
Auch heute, nachdem er erklärtermaßen mit seinem Karrierebruch Frieden geschlossen hat – Schmenger arbeitet mittlerweile als Steuerberater – merkt man ihm die jahrelange Anspannung an. Und die Empörung darüber, dass man als Beamter kaum eine Möglichkeit hat, aus dem Korsett von Amts-, Dienst- und, in seinem Fall, Steuergeheimnis auszubrechen. Wer als Beamter vor Gericht aussagen will, muss sich zuvor die Genehmigung seines Vorgesetzten holen. Pikant, wenn es im Verfahren um eben jenen Vorgesetzten geht.
Kürzlich sind Schmenger und seine Kollegen in einem Buch des Frankfurter Journalisten Jürgen Roth erneut zu Wort gekommen. Ein Artikel im SPIEGEL führt dazu, dass die hessische Landesärztekammer sich gerade den Gutachter etwas genauer anschaut, der im Auftrag der Finanzbehörde dem aufsässigen Steuerfahnder eine “paranoid-querulatorische Entwicklung” bescheinigt hatte. Auch die Liechtenstein-Affäre hat noch einmal etwas Dynamik in die Situation gebracht. Schmenger wird auf einmal wieder angehört. Ein weiterer Artikel in einer überregionalen Publikation steht an.
Doch das macht ihn nicht optimistischer: Für mindestens zwei Dienstgenerationen, so meint Rudolf Schmenger, werde sich bei den hessischen Steuerfahndern niemand mehr trauen, Rückgrat zu zeigen. Zu genau erinnere man sich daran, wie diejenigen abgeschossen wurden, die es zuletzt versuchten.