Sie begreifen es einfach nicht. Die Bürosessel-Korrespondenten bei Spiegel Online können sich einfach nicht vorstellen, dass nicht alle Chinesen entweder unterdrückt oder von ihrer Regierung ferngesteuerte Roboter sind. Und dass ausgerechnet ihre eigene strunzdumme Berichterstattung zu jenem gewaltigen Schub an Nationalismus, jenem Schulterschluss mit dem ‘Regime’ beiträgt, den wir in den letzten Wochen in China beobachten konnten – und der nun wahrlich nicht nötig gewesen wäre.
Man beachte auch die wieder einmal wirklich bemerkenswerte Einhaltung der journalistischen Sorgfaltsregeln: Da reicht ein einziger Informant aus der Agenturmeldung, noch dazu von der Gegenpartei, für die steile These der Überschrift. Zitat aus dem Artikel: “Einer der Tibet-Aktivisten warf der chinesischen Regierung vor, sie habe den Gegendemonstranten Fahrt- und Verpflegungskosten erstattet, damit sie nach Canberra kommen.” Selbst wenn dieses Gerücht stimmen sollte – und es ist nicht Aufgabe des Journalismus, Gerüchte zu verbreiten – kann man sicher sein, dass die chinesische Regierung zur Zeit niemanden nötigen muss, an pro-chinesischen Kundgebungen teilzunehmen. Da finden sich genug Freiwillige.
Richtig, da finden sich Freiwillige. Und sicherlich ist die in China vorherrschende Unterdrückung nicht so simpel, wie der Spiegel sie beschreibt. Ab die “Freiwilligkeit” ist mit Vorsicht zu genießen! In der Aussage bleibt es aber dabei: Die Demsontranten sind “Marionetten” des Regimes. Ob sie das aus Dankbarkeit gegenüber dem Regime (für Ausreisegenehmigungen und wirtschaftlichen Wohlstand) “freiwillig” tun, oder auf welche Art auch immer gezwungen worden sind, ist zweitrangig. Die meisten Deutschen hätten, zumindest bis 1939, auch gerne und breitbrüstig im Ausland für Hitler demonstriert. Und damals wie heute ist von Seiten der westlichen Demokratien Vorsicht geboten. Auch wenn sicherlich auch beim Spiegel nicht alles Gold ist, was glänzt, bei totalitären Regimen gibt es ganz sicher viel mehr Glanz und viel weniger Gold. Da glaub ich lieber dem Spiegel, als den Chinesen.