Wenn man über Geschäftsmodelle im Social Web nachdenkt, bietet sich neben den üblichen Kandidaten Bannerwerbung oder Paid Content immer wieder auch Sponsoring an, sowohl für einzelne Weblogs, als auch für spezielle Dienste im Rahmen größerer Angebote (z.B. Focus Live bei Focus Online).
Sponsoring ist für beide Seiten, Anbieter und Werbepartner, ein gut überschaubares, weitgehend transparentes Modell. Deshalb ist es kein Wunder, dass Marken wie Opel und Coca-Cola schon einmal ihre Fühler in Richtung Blogosphäre ausgestreckt haben. In der anschließenden Diskussion, die ja nicht frei von hysterischen Untertönen war, hätte man ein bisschen konstruktiver über die Ethik des Sponsoring in publizistischen Zusammenhängen nachdenken können.
Letztlich geht es um Glaubwürdigkeit. Es gibt dazu eine einfache Faustregel: Sponsoring ist eigentlich immer dann unproblematisch, wenn die kommerziellen Interessen des Sponsors orthogonal zu denen des Anbieters stehen. Wenn der Gartentor-Hersteller den Wetterbericht sponsort, bleibt das für die Tendenz des Wetterberichts weitgehend unverdächtig. Auch wenn Coca-Cola das WM-Blog sponsort, muss man nicht befürchten, dass die Autoren deswegen das eine oder andere Fußball-Team bevorzugen.
Wenn jedoch die Interessen des Sponsors in irgendeiner Form in die gleiche Richtung zielen wie die Inhalte des Angebots, wird es heikel. Klassisches Beispiel: Die berüchtigte Reifenrubrik, die gelegentlich bei Spiegel Online auftaucht, gesponsort von Continental. Da kann sich die Spon-Redaktion noch so viel Mühe geben, ihre redaktionelle Unabhängigkeit zu wahren – niemand wird es ihr abnehmen. Das ist einfach dumm gemacht.
In diesem Sinne war das Opel-Experiment sehr viel problematischer als die von Coca-Cola bezahlte WM-WG. Denn niemand kann uns weismachen, dass die Fahr- und Erlebnisberichte zu den bereitgestellten Fahrzeugen unbefangen zustandegekommen sind. Befangenheit kann hier in beide Richtungen gehen: Je nach Blickwinkel gibt es sowohl den Druck, das Produkt positiv zu würdigen, als auch, es besonders kritisch darzustellen. Wohlgemerkt: Ich möchte niemanden verurteilen. Gegen Experimente ist nichts einzuwenden, und ich bin sicher, dass die Beteiligten interessante Erfahrungen gemacht haben. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass die Autoren nicht so schnell bereit sind, sich erneut einer solchen Situation auszusetzen. Und das nicht nur wegen der zahllosen Moralapostel, die die Geschichte benutzt haben, um wieder einmal ihr hohes Ross publikumswirksam auszuführen.
Kleiner Nachtrag: Und es kommt dann immer doch etwas schlimmer als man denkt. Nachzulesen beim wie immer aufmerksamen Herrn Knüwer.
Ich vermute, daß die große Entrüstung auch mit der Befürchtung einer Kommodifikation einer bisher von ökonomischen Abhängigkeiten freien Sphäre der öffentlicher Debatte zusammenhängt – frei in dem Sinne, dass die Meinungsäusserung bekannter “Amateure” nicht Teil von Marktprozessen des Medienbetriebs waren. Noch dazu dass die Kommodifikation in einem Refugium stattfindet, das sich ja erst ganz frisch konstituiert hat, auch indem es antiökonomische Motive propagierte, um sich vom Printbereich abzugrenzen.
Das Phänomen wäre bei dieser Deutung dann verwandt mit Diskussionen wie jenen, wenn Undergroundbands kommerziell erfolgreich werden oder den Absprung aus dem Szenemarkt suchen. Oder auch – je grundsätzlicher man die utopische Bloggerphilosophie ernstnimmt – mit der Empörung bei Leihmutterschaften, Prostitution, Organhandel, Privatisierung öffentlicher Güter etc.